Lernwelt 4.0

Konzeption Lernwelt 4.0 an der Josef-Durler-Schule Rastatt

Industrial Internet of Things IIoT

Internet of Thing IoT

Industrie 4.0 I4.0

Lernwelt 4.0, eine Einführung

Die Digitalisierung stellt Schule, Wirtschaft und Politik vor enormen Herausforderungen. Schlagworte wie Industrie 4.0 [I4.0] Industrial Internet of Things [IIoT], Web 2.0, Internet of Things [IoT], All-IP, Connected-Car… beschreiben die neue Dimension, die sich aus diesem Paradigmenwechsel ergeben.

 „Industrie 4.0“ erfordert Fachkräfte in den Betrieben, die über das entsprechende Wissen und Können und die damit verbundene Haltung verfügen. Diese Fachkräfte für morgen werden schon heute unter anderem an den beruflichen Schulen aus- und fortgebildet. Technologische Grundlage dieser „intelligenten Fabriken“ ist u.a. das IoT bzw. IIoT. So sind z.B. völlig neue Konzepte im Bereich Prozesstechnik / Robotik geplant.  

Der Handlungsbedarf für Schulen ist offensichtlich. So hat auch der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung im vergangenen März die Teilnovellierung der industriellen Metall-und Elektroberufe beschlossen. Ein „Agiles Verfahren“ soll gewährleisten, dass diese Berufe den Anforderungen der Digitalisierung und Industrie 4.0 gerecht werden.

Die Josef-Durler-Schule sieht sich in der Pflicht im Bewusstsein dieses Wandels zu agieren und neue pädagogisch-didaktische Wege zu gehen.

Lernen 4.0“ erfordert an den beruflichen Schulen neben einer technischen Ausstattung Lehrerinnen und Lehrer mit dem entsprechenden Fachwissen. Genauso wichtig ist es, dass die Lehrkräfte über die fachlichefachdidaktische sowie pädagogische Kompetenz verfügen, die für die erfolgreiche Vermittlung des neuen Fachwissens nötig ist.

So kommt beispielsweise die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in ihrem Ende 2016 herausgegebenen Positionspapier „Kompetenzen für Industrie 4.0“ zu dem Schluss, dass neben breit angelegten IT-Kompetenzen zur Vernetzung auch überfachliche Kompetenzen wie z. B.

  • bereichsübergreifendes Prozess-Knowhow,
  • interdisziplinäres Denken und Handeln,
  • die Fähigkeit zur Koordinierung von Arbeitsabläufen,
  • eine ausgeprägte Problemlösekompetenz
  • und die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln

erforderlich sind.

Diese komplexe Materie muss letztlich den Schülerinnen und Schülern [SuS] verschiedener gewerblich-technischer Berufsfelder im Unterricht vermittelt werden. Hierzu bedarf es innovativer didaktischer Konzepte. Eine erste Hilfestellung bietet dazu die Handreichung „Industrie 4.0 – Umsetzung im Unterricht für berufliche Schulen“, die das Landesinstitut für Schulentwicklung Baden-Württemberg 2016 veröffentlichte.

Umsetzungsstrategie für das Thema Industrie 4.0 in der beruflichen Ausbildung in sechs Szenarien, basierend auf der Handreichung des Landesinstituts für Schulentwicklung

Josef-Durler-Schule Rastatt:Von der Lernwelt 3.0 zur Lernwelt 4.0 – mehr als nur ein Upgrade…

Die modernen Techniklabore der Josef-Durler-Schule Rastatt beschreiben eine Lernwelt 3.0 (im Sinne von Industrie 3.0).

Betrachtet man den Wandel in der Produktionsphilosophie von I3.0 zu I4.0, so ist dieser geprägt nicht nur durch die Digitalisierung und Vernetzung sämtlicher an den Produktionsprozessen direkt beteiligter Komponenten (horizontale Vernetzung) sondern auch die der indirekten Arbeits-und Steuerungsprozesse (vertikale Vernetzung).

„Warum machen wir nicht dasselbe mit unserer vorhandenen Lernwelt?

Die Digitalisierung und Vernetzung dieser Labore und ihren Komponenten ermöglicht Lernsituationen, die revolutionäre Dimensionen von I4.0 beschreiben. Die Schülerinnen und Schüler erleben nun eine Lernwelt 4.0, charakterisiert durch handlungsorientierte und interdisziplinäre, didaktische Konzepte. Dieser Ansatz gewährleistet ein Höchstmaß an Flexibilität im pädagogisch-didaktischen Handeln und stellt auch einen weiteren Baustein auf der Metaebene der langfristigen Schulentwicklungsziele der Josef-Durler-Schule dar: Entwicklung einer „kooperativen Unterrichtsentwicklungskultur“: LuL entwickeln gemeinsam Unterricht auf formeller Arbeitsebene, gewährleistet durch Arbeiten in Projektgruppen:

Interdisziplinäre Lernsituationen + intelligente Vernetzung der Labore
=
Lernwelt 4.0

Lernwelt 4.0“ ist deshalb auch das Ziel didaktische Handlungsfelder interdisziplinär für den praxisnahen Unterricht zu entwickeln und umzusetzen.

Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich unter anderem

  • dass für I4.0/IoT erforderliche Wissen v. a. im gewerblich-technischen Bereich,
  • die Verknüpfung von Lerninhalten durch Modularisierung und Prozessorientierung,
  • die interdisziplinäre Verzahnung komplexer Systeme,
  • und die Anwendung individualisierter Lernformen.

Dies stellt eine neue didaktische Dimension im Schulalltag für die Lehrkräfte dar.

Im ersten Schritt werden folgende Berufe | Schularten / Fachschwerpunkte eingebunden:

  • EATElektroniker für Energie- und Automatisierungstechnik / Automatisierungstechnik, Netzwerktechnik
  • EBTElektroniker für Betriebstechnik / Automatisierungstechnik, Steuerungstechnik, Netzwerktechnik
  • EEGElektroniker für Energie- und Gebäudetechnik / Installationsbus, Netzwerktechnik
  • FI-SAE/ITFachinformatiker Systemintegration / Programmiertechnik, Netzwerktechnik
  • BKTK Berufskolleg Technische Richtung Programmiertechnik, Netzwerktechnik
  • TGI Technisches Gymnasium Informationstechnik Mikrocontrollertechnik, Netzwerktechnik
  • FTAM Fachschule Technik Automatisierungstechnik Mechatronik / Automatisierungstechnik, Netzwerktechnik
  • FTAM Fachschule Technik Automatisierungstechnik Mechatronik / Mikrocontrollertechnik, Netzwerktechnik

Didaktische Konzeption => Lernsituation(en) – ein Beispiel

Zur Umsetzung der einzelnen interdisziplinären Fragestellungen und Lernziele(n) werden übergreifende Lernsituationen entwickelt, die viele grundlegende Prinzipien von I4.0 beinhalten.

So wird der Produktionsprozess um ein Cyber-Physisches-System erweitert, welches über unterschiedliche Sensoren (Temperatur, Helligkeit, Windstärke, CO, etc.) Messwerte ermittelt. Diese werden in verschiedenen Lernsituationen zur Fehleranalyse, automatisierten Steuerung usw. verwendet. Diese Messwerte werden mittels einer Datenbank im Manufactoring-Execution-System (MES) abgelegt und mit Datum und Uhrzeit gespeichert. Gleichzeitig kann die Programmierbare Steuerung (SPS) diesen Wert zur Steuerung der Temperaturkompensation nutzen…

Da die Schüleraktivität im Vordergrund des Handelns steht, wollen wir allen beteiligten Berufen und Schularten ermöglichen, an diesen Lernsituationen in ihren jeweiligen Bereichen während des Unterrichts zu arbeiten. 

Ein großes Problem ergibt sich durch die Unterrichtsorganisation: Der Unterricht in den einzelnen Fachrichtungen bzw. Schularten findet nicht zeitgleich statt. Z.B. führt der geblockte Teilzeitunterricht an der JDSR führt dazu, dass sich die Schülerinnen und Schüler (SuS) über einen längeren Zeitraum nicht an der Schule befinden. 

Wie kann die Interdisziplinarität aufrechterhalten werden? 

Das Konzept von Lernwelt 4.0 sieht vor für jeden involvierten Raum, in dem kein aktueller Unterricht zur Lernsituation stattfindet, ein „Musterexemplar“ an Daten für die SuS aller Fachrichtungen/Schularten über das Netzwerk bereitzustellen. 

In der Fachsprache der eingesetzten Technologie wird das als „Testament“ bezeichnet. Während der Elektroniker für Automatisierungstechnik im SPS-Labor arbeitet, verwendet er Daten und Informationen, die der Fachinformatiker im IT-Labor scheinbar gerade erzeugt – tatsächlich benutzt er das „Testament“. 
So wird gewährleistet, dass jeder Kollege bzw. Kollegin mit seinen SuS unabhängig von Stunden- bzw. Raumplänen an der Umsetzung arbeiten kann. Der Aufbau der „Lernwelt 4.0“ ermöglicht so jedem einzelnen Lernenden mit seiner eigenen Lernfabrik zu experimentieren!

Diese Konzeption ermöglicht Individuelle Förderung: Aufgrund der Modularität der Lernsituationen können diese jederzeit um weitere Taxonomiestufen erweitert werden. 

Kooperationen und Lernvisionen

Das Konzept der „Lernwelt 4.0 an der JDSR“ sieht eine Vielzahl an Kooperationen vor. Nicht nur die dualen bzw. Kooperationspartner der Schule sollen die Lernwelt 4.0 mitgestalten, auch benachbarte Schulen werden miteinbezogen. 

So ist die die Lernfabrik 4.0 der Carl-Benz-Schule Gaggenau mit der Lernwelt 4.0 an der JDSR verknüpft : jede Schülerin, jeder Schüler begreift und erlernt die Technologien von I4.0 in seiner eigenen Experimentier-Lernfabrik in der Lernwelt 4.0 um anschließend das große Ganze an der Lernfabrik 4.0 erleben zu können.

Eine weitere Kooperations-Vision: SuS des Wirtschaftsgymnasiums der Handelslehranstalt Rastatt mit dem Profil Wirtschaftsinformatik programmieren einen Webshop für 3D-Druck-Produkte. Durch eine Verknüpfung mit der Lernwelt 4.0 (Labor Fertigungstechnik) können die Artikel in der JDSR gedruckt werden. Gemeinsame Schülergruppen beider Schulen analysieren den gesamten Wertschöpfungsprozess, Digitalisierung und Vernetzung werden für die SuS begreifbar. 

Die Ausbildung der Daimler AG Werk Gaggenau und Rastatt plant eine eigene vernetzte Lernwelt für ihre Auszubildenden. Spontane Idee beim ersten gemeinsamen Ideenaustausch war die Verknüpfung der beiden Lernwelten.

Durch das Konzept der Lernwelt 4.0 ergibt sich eine schier unbegrenzte Vielzahl an Lern- und Kooperationsvisionen, die durch das strukturierte Zusammenarbeiten aller Beteiligten geschaffen werden können. 

Professor Dr. Dirk Ifenthaler (Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik – Technologiebasiertes Instruktionsdesign, Universität Mannheim) zeigte sich tief beeindruckt von dem Konzept „Lernwelt 4.0 an der JDSR“ und wird deren Umsetzung wissenschaftlich begleiten.

Die Umsetzung beinhaltet auch die Kooperation mit dem Staatlichen Seminar Karlsruhe (Berufliche Bildung)Direktorin Prof. Susanne Thimet sieht in der Zusammenarbeit ein großes Potenzial an Synergien für die Lehreraus- und Lehrerfortbildung. 


Dipl. phys. Ralf Wuchner, StD
Leiter Abteilung 2

Josef-Durler-Schule Rastatt
Richard-Wagner-Ring 24
76437 Rastatt
Tel. 07222-9180-122