Mit dem Beratungslehrer Thorsten Lenz, der Schulsozialarbeiterin Jana Kehret und dem Sonderpädagogen Felix Hoepke (Foto: von links nach rechts) hat die Josef-Durler-Schule (JDS) drei kompetente Ansprechpartner für die Probleme, Sorgen und Nöte der Schülerinnen und Schüler im Haus. Walburga Langen-Droll sprach mit ihnen darüber, wie sie das Befinden der Schüler seit Beginn der Pandemie im März 2020 in den unterschiedlichen Phasen des Lockdowns, des Wechselunterrichts und des Unterrichts in Präsenz wahrgenommen haben und welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um den Kontakt zu den Jugendlichen nicht zu verlieren.
- Wie in den Medien immer wieder hervorgehoben wird, haben besonders Kinder und Jugendliche unter den Pandemiebedingungen wie häusliche Isolation und Kontaktbeschränkungen gelitten. Dies habe sich zunehmend auf ihre Psyche ausgewirkt, sagen Psychologen. Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich in den vergangenen 17 Monaten in Ihrer Eigenschaft als Beratungslehrer bzw. Sozialarbeiterin und Sonderpädagoge an der JDS gemacht?
Thorsten Lenz: In den ersten Tagen und Wochen konnten Schülerinnen und Schüler dem Unterricht folgen und selbständig arbeiten. Je länger der Heimunterricht dann gedauert hat, umso schwieriger war es, die Motivation zu erhalten. Der zweite Lockdown war dann für viele Schüler sehr lange. Die Schule als Ort des Lernens, an dem man weniger abgelenkt ist als zu Hause, hat offensichtlich gefehlt. Corona und das Zuhauselernen haben dabei aber nur sichtbar gemacht, dass das selbständige Lernen ein Ziel des Unterrichts ist, nicht vorausgesetzt und von vielen Schülerinnen und Schülern mehr oder weniger umgesetzt werden kann.
Jana Kehret: Grundsätzlich fehlten den Schüler:innen die sozialen Kontakte und der gegenseitige Austausch sehr. Die Probleme, mit denen die Jugendlichen zu mir kamen, standen aber nicht unbedingt mit der Pandemie im Zusammenhang. Sie waren größtenteils schon vor der Pandemie vorhanden, wurden durch die Pandemie eventuell aber verstärkt.
Felix Hoepke: In meiner Funktion als Sonderpädagoge im Sonderpädagogischen Dienst an der Josef-Durler-Schule haben sich bei mir die Fälle in Bezug auf Corona nicht vermehrt oder vermindert. Ich sehe daher keine signifikante Änderung in meiner Arbeit. Da die Klassen, in denen ich unterrichtet habe, von der Fernlernphase recht wenig betroffen waren, sind mir Auswirkungen nicht aufgefallen. Hingegen konnte ich wahrnehmen, dass die Schüler der betroffenen Klassen froh waren, wieder in Präsenz sein zu dürfen. Sie berichteten mir, dass es in der Fernlernphase oft zu technischen Problemen kam und sie daher wenige Möglichkeiten hatten, am Onlineunterricht teilzunehmen.
- Haben Schüler verstärkt Rat und Hilfe gesucht oder ist, im Gegenteil, der Kontakt zu ihnen eher abgebrochen?
Lenz: Der Kontakt ist eher abgebrochen. Die Anfragen sind weniger geworden, wobei auch Anfragen von Kolleginnen und Kollegen eher selten waren. Das lag zum Teil auch daran, dass einzelne Schülerinnen und Schüler auch für die Klassenlehrer nicht mehr erreichbar waren. Klassenlehrerinnen oder auch Fachlehrer sprechen in Präsenz Schüler an und empfehlen ihnen, sich beraten zu lassen. Das scheint weitgehend weggefallen zu sein. Ich kann die Schülerinnen und Schüler nur ermutigen, sich in einer solch‘ herausfordernden Situation Unterstützung zu holen.
Kehret: Der Kontakt ist nicht abgebrochen, aber die Kontaktaufnahme war erschwert. Die Schüler:innen konnten nicht bei mir vorbeischauen, da das Schulhaus wie leergefegt war. Ich habe versucht den Mädchen und Jungen durch niederschwellige Angebote die Kontaktaufnahme zu erleichtern. Diese Angebote wurden von den Schüler:innen, die Hilfe brauchten, auch wahrgenommen und genutzt.
Hoepke: Eine Zunahme konnte ich nicht feststellen, kann aber auch nicht abschließend sagen, ob es eine Zunahme gegeben hätte und es möglicherweise an der technischen Ausstattung der Betroffenen gescheitert ist.
- Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um während der Schulschließung und den Phasen des Wechselunterrichts Kontakt zu den Schülern herzustellen?
Lenz: Wir haben an der Josef-Durler-Schule in Präsenz im Spätjahr 2020 zahlreiche Einzel- und Klassengespräche und so genannte Klassencoachings durchgeführt. Viele Kolleginnen und Kollegen sind dafür ausgebildet. Damit sollte für das eigene Lernen sensibilisiert werden.
Im Spätjahr sind wir (Schulsozialarbeiterin und Beratungslehrer) durch die Klassen gegangen und haben unser Beratungsangebot in den Klassen vorgestellt. Als Klassenlehrer kann ich zu den Schülerinnen und Schülern der eigenen Klasse Kontakt halten und auch telefonisch beraten.
Kehret: Vor dem Hintergrund der coronabedingten Hygienevorschriften, Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen, Wechselunterricht und dem damit verbundenen Home-Schooling, war es meine Aufgabe, Wege und Möglichkeiten zu finden, mit den Schüler:innen Kontakt zu halten, um gegebenenfalls Hilfebedarf und Anliegen herauszufinden und um bedarfsgerechte Angebote zu gestalten.
Ich habe, um Präsenz zu zeigen und Kontaktmöglichkeiten zu schaffen, Beiträge in itslearning (Lernplattform der Josef-Durler-Schule) gestellt, zu unterschiedlichen Themen (z. B. Jonglieren, Sport, Kochen) und diverse Informationen bereitgestellt z. B. zur Ausbildungsmesse, Azubi-Speed-Dating, Berufsberatung. Des Weiteren habe ich einen Instagram-Account eingerichtet, um den Schüler:innen über soziale Medien eine weitere Möglichkeit zu bieten, mit mir Kontakt aufnehmen zu können. Das Angebot hat sich bewährt, daher möchte ich es weiterführen. Telefonisch und per E-Mail war ich sowieso immer gut zu erreichen. Außerdem habe ich an die Jugendlichen, die vor Ort waren, Flyer verteilt, um auf mein Angebot aufmerksam zu machen.
Hoepke: Die Kontaktaufnahme in der Fernlernzeit, sofern es nötig war, ist größtenteils mit der von der Schule genutzten Lernplattform erledigt worden. Dies wurde in Einzelfällen genutzt, sofern es die Technik gestattet hat. In den Phasen des Wechselunterrichts konnten Gespräche in der Schule stattfinden.
- Momentan steigen die Inzidenzwerte wieder leicht an. Niemand kann voraussagen, wie die Situation im Herbst und Winter aussehen wird. Wie können wir Ihrer Meinung nach die Schüler auf einen weiteren Lockdown so vorbereiten, dass sie während einer erneuten Phase von Distanzunterricht so motiviert wie möglich bleiben?
Lenz: Unser Vorteil ist, dass wir auch im Präsenzunterricht in vielen Klassen mit unserer Lernplattform Unterrichtsinhalte anbieten. Hier können sich Lehrerinnen und Lehrer die Rückmeldung holen, was gut geklappt hat und was verbessert werden kann. Es lohnt sich in jedem Fachunterricht, das eigene Lernen und das Lernen als Klasse zu reflektieren. Unterstützung für einzelne Schülerinnen und Schüler kann in Präsenz organisiert werden, gewissermaßen als Notfallplan. Manche Wünsche von Schülerinnen und Schülern – wenn sie den Kolleginnen und Kollegen bekannt sind – lassen sich relativ leicht umsetzen, wenn es zum Beispiel um den Eintrag einer Videokonferenz im Kalender der Lernplattform geht. Darüber hinaus bieten wir weiter Einzel- und Klassencoachings an. Dieses Angebot gab es auch schon vor Corona. Der Lockdown hat noch einmal verstärkt sichtbar gemacht, wie wichtig es ist, sich mit dem eigenen Lernen zu beschäftigen und zu überlegen, unter welchen Bedingungen man sich selbst am besten motivieren kann.
Kehret: Man könnte prüfen, ob noch technische Optimierungen erforderlich sind, um technisch bedingte Motivationskiller auszuräumen. Zudem wird auch an der JDS von einigen Lehrern seit ein paar Jahren bereits ein Coaching für Schüler:innen angeboten. Das Coaching soll die Eigenständigkeit, die Selbstorganisation und die Motivation der Jungen und Mädchen fördern. Dieses Coaching kann auch online durchgeführt werden, wie z.B. während des Distanzunterrichts. Diese Coachinggespräche sind eine gute Möglichkeit, die Schüler:innen auf einen weiteren Lockdown vorzubereiten.
Hoepke: Hier sehe ich die Politik in der Pflicht, erst einmal stabil laufende einheitliche Systeme und ausreichende Ausstattung bereitzustellen und dafür zu sorgen, dass es jedem Lernenden und jeder Lehrperson technisch möglich ist, an Fernlernangeboten teilzunehmen. Viel unnötiger Frust und Demotivation ist durch Abstürze, fehlende oder unzureichende Ausstattung und daraus resultierende Kontaktbeschränkung entstanden. Ich hoffe, dass es nicht wieder zu Schließungen im Herbst kommen wird.