Ein Interview mit Patrik Kranjcina, Praktikant im Feld Arbeitserziehung
Susanne Früh: Patrik, der Beruf „Arbeitserzieher“ ist sicher nicht so geläufig, was machst du denn genau?
Patrik Kranjcina: Das Berufsbild gibt es jetzt schon ca. 15 Jahre. Es ist ein Bindeglied zwischen Fachlehrern und Betrieb. Das Spektrum, was man mit dieser Ausbildung machen kann, ist riesig. Es gibt die Möglichkeit, in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten, in einer REHA-Klinik kognitiv eingeschränkte Menschen zu betreuen oder Menschen zu helfen, sich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. So gibt es beispielsweise auch die Option, in der Industrie Wiedereingliederungen zu planen. In der Schule liegt der Fokus besonders darauf, Schülern bei der Suche nach Praktikumsplätzen zu helfen und ihnen Kompetenzen für eine erfolgreiche Bewerbung zu vermitteln. Im AV finden sich Jugendliche ohne Hauptschulabschluss – aus diversen Gründen! Da ist man dann auch ein Stück weit Sozialarbeiter und Betreuer. Die Schüler haben zu mir einen anderen Bezug, ich bin ja kein Lehrer. Ich kann mich gut in die Schüler hineinversetzen, wir haben eine gemeinsame Kommunikationsbasis – ich war selbst mal so ein Kind und Jugendlicher mit herausforderndem Verhalten… Ich kann von eigenen Erfahrungen berichten.
Susanne Früh: Wieso hast du dich unter diesen vielen Möglichkeiten gerade für den Weg in die Schule entschieden?
Patrik Kranjcina: Ich hatte immer die Schule als Ziel. Ich habe 25 Jahre in der Industrie gearbeitet, aber ich habe schon da gemerkt, dass mir vor allem junge Menschen am Herzen liegen. Schule ist einfach persönlicher, individueller. Viele Jugendliche sind heute „lost“ – wenn ich es schaffe, auch nur einen davon wieder auf Spur zu bringen, bin ich glücklich. Die Corona-Zeit hat mich schwer getroffen und ich habe entschieden, mich umzuorientieren. Meine Familie unterstützt mich dabei, meine beiden Kinder sind begeistert – nicht zuletzt wegen der familienfreundlicheren Arbeitszeiten.
Susanne Früh: In welchen Klassen bist du im Moment?
Patrik Kranjcina: Ich bin in den Klassen des AV, VABO, KoBV und auch KoBo.
Susanne Früh: Welche Erfahrungen konntest du bisher sammeln?
Patrik Kranjcina: Ich bin ja erst vier Wochen hier, aber ich habe schon einiges erlebt, positiv wie negativ. Wobei ich auch negative Erfahrungen als Bereicherungen empfinde. Man hat einen Gesprächsanlass… Das passt schon.
Susanne Früh: Wie sieht eine typische Woche bei dir aus?
Patrik Kranjcina: Einen Tag in der Woche begleite ich eine Klasse, einen anderen einen Lehrer und die restlichen Tage bin ich in den Werkstätten und arbeite mit den Klassen.
Susanne Früh: Hasu du auch schon Ideen für Projekte?
Patrik Kranjcina: Ich habe Ideen, aber in der Kürze der Zeit noch nicht umgesetzt. Bisher habe ich Projekte begleitet, z.B. den Bau der Fledermauskästen, die wir kürzlich aufgehängt haben. Die Feuerwehr haben wir auch schon besucht. Generell finde ich Exkursionen toll, da man darüber einen anderen Zugang zu den Schülern bekommt. Als Rastatter bin ich gut vernetzt und freue mich, wenn sich daraus Mehrwerte für die Schüler ergeben.
Susanne Früh: Wie kommst du bisher bei den Schülern an?
Patrik Kranjcina: Die Schüler nehmen das Angebot gut an, ich hatte gleich einen guten Draht zu ihnen. Da ich recht „freigeistig“ unterwegs sein darf, habe ich viele Freiheiten und Raum für Gespräche. Heute zum Beispiel dauerte ein Gespräch bei der Schulsozialarbeiterin Jana Kehret länger und ich kam später als gedacht ins AV. Aber die Fachkollegen freuen sich über meine Unterstützung und geben mir die Zeit für die Gespräche mit den Schülern – auch wenn es mal länger geht. Ich denke, dass ich auch nicht als Lehrer wahrgenommen werde, weil ich mich optisch abhebe… Tätowierungen, rockigere Sachen, z.B. auch mal ein T-Shirt mit Mittelfinger drauf… Außerdem spreche ich, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Die Schüler und ich haben da eine gemeinsame Basis.
Susanne Früh: Wie sieht dein weiterer Weg aus?
Patrik Kranjcina: Jetzt bin ich erst einmal hier bis zu den Sommerferien, das zweite Jahr muss ich dann leider in einer anderen Einrichtung verbringen. Aber ich hoffe, dass ich mein Anerkennungsjahr wieder an der Josef-Durer-Schule machen kann. Mein Ziel ist es, eine Stelle als AV-Dual Begleiter zu bekommen, die nach und nach installiert werden sollen. Manchmal wird dafür ein Studium verlangt, aber ich hoffe, dass ich durch meine handwerkliche Ausbildung als Offset-Drucker und 13 Jahre Berufserfahrung als Selbstständiger sowie 12 Jahre in der Industrie – Nachtarbeit bei Mercedes – punkten kann. Zusätzlich habe ich auch eine soziale Ausbildung und möchte einen AVEO-Schien machen, damit ich ausbilden kann. Ich würde mich freuen, in Rastatt tätig sein zu können, denn als Rastatter möchte ich mich gerne engagieren und den Rastattern etwas zurückgeben. Wenn das auf diesem Wege klappen würde, wäre das ein Jackpot! Mit meiner Begeisterung habe ich sogar schon meinen 16-jährigen Sohn angesteckt, der nun plötzlich über einen sozialen Beruf nachdenkt.
Susanne Früh: Danke, Patrik, für das offene und freundliche Interview – wir freuen uns über deine Unterstützung!
Text: Susanne Früh
Fotos: Susanne Früh, Maik Seiberling