Guten Abend , sehr geehrte Gäste, Mitabiturientinnen und Mitabiturienten,
wir kommen zum letzten Programmpunkt, zumindest des offiziellen Programmteils, an dem der Scheffelpreisträger die Ehre hat, seine Rede zu halten.
Ob es für einen Schüler allerdings wirklich eine Ehre ist, bei angenehmer Schwimmbadtemperatur eine Rede zu schreiben, sei dahingestellt.
Spaß beiseite, ich freue mich sehr, heute hier oben stehen zu dürfen. Und wie das eben als Vortragender dieser, fast schon ein wenig besonderen, Rede ist, fragt man sich selbst, ob man diesem Anspruch gerecht wird. Schließlich stellt man sich die Frage, wie soll die Rede werden? Was erwartet das Publikum von dieser Rede? Was sind meine eigenen Ansprüche? Werde ich diesen gerecht? Ich denke, einige kennen das nur zu gut aus ihrer Schullaufbahn.
Während ich versuchte, diesen Fragen eine Antwort zu bieten, sprach es sich auch schon unter den Schülerinnen und Schülern herum. Und so wurde ich neugierig gefragt, wie die Rede sei, was ich mir ausgedacht habe und was ich mit einbeziehen wolle.
Ehrlich gesagt, steigt dadurch der Anspruch umso mehr. Schließlich ist euer Anspruch der höchste, denn ihr habt genau so gute Arbeit geleistet und auch diesem gilt es mit dieser Rede gerecht zu werden.
So grübelte ich und zerbrach mir schier den Kopf, wie diese Rede denn werden soll.
Wir Schüler kennen es, wir starten mit einem Projekt oder einer Ausarbeitung und langsam füllt sich unser Rechner mit angefangenen Dateien und so wird aus dem Dateinamen „Die Rede”, „Die Rede neu”, „Die Rede neu neu”, „Die Rede neu neu neu”, bis wir zu faul sind, den Namen zu ändern, und Windows beginnt, Zahlen anzuhängen.
So ging es auch mir. Ich fragte mich, soll die Rede ernst sein? Soll sie lustig sein? Mit literarischen Zitaten ausgeschmückt, passend zum Preis? Soll Sie vielleicht ein Rückblick auf unsere Schulzeit werden, mit der nun endgültig ein Kapitel unseres Lebens abgeschlossen ist? Letztendlich dachte ich mir: „Lucas, das wird schon”.
Während ich mir diese Fragen stellte und gedanklich Konstruktionen zusammenstellte, ging ich zur Finanzierung meines anstehenden Studiums bei einem großen Automobilkonzern hier in unserer Region arbeiten. Dort fragten mich die Mitarbeiter einmal während der Mittagspause, was ich denn so mache, und es kam die Frage auf, ob ich den auch zu diesen „Fridays-for-future-Demonstranten” gehöre. Der Raum wurde still. Ich verneinte diese Frage, schließlich habe ich tatsächlich nie an solch einer Demonstration teilgenommen. Mit dieser Antwort entwich ich einer Diskussion, und es entfachte sich eine Debatte über uns junge Menschen und unseren Bezug zur Umwelt. “Diese jungen Menschen wählen auch noch alle die Grünen, haben aber noch nicht mal ihr eigenes Geld verdient. Und die sollen unsere Rente bezahlen!” Harte Worte, die ich persönlich allerdings sehr stark nachvollziehen kann, denn unser großer Wirtschaftszweig, an dem viele Arbeitsplätze hängen, ist von diesem umweltbewussteren Denken beeinträchtigt, und dies sorgt auch für eine Angst um den eigenen Arbeitsplatz.
Und so endet die Thematik mit „Schauen wir mal, wo das hinführt” oder „Das wird schon”.
Später fährt ein Roboter an mir vorbei. Ich als „Informatiker”, wenn ich mich schon so nennen darf, war natürlich begeistert. Das Gerät fuhr das Material selbständig und ohne Hilfslinien am Boden an sein Ziel. Ich überlegte, wie das wohl funktioniere und wie viel Aufwand dahinterstecke, und träumte von meiner eigenen kleinen, nachgebauten Kopie. Doch mit der Begeisterung kommt zugleich das Verständnis. Schließlich ist dies erst der Anfang der Digitalisierung der Fabriken, aber auch hierbei ist noch keine klare Zukunft zu erkennen und dies führt natürlich zu zusätzlichen Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz. Nicht um meinen, den ich bin ja nur für eine absehbare Zeit dort, sondern den der festangestellten Arbeiter. Aber auch hierbei ließe sich ganz einfach „Ach, das wird schon” denken.
Zuhause angekommen sah ich in der Tagesschau, dass der G20-Gipfel stattfindet. Vorne auf dem Gruppenbild ist Donald Trump zu sehen. Ein Mann, dessen Handlungen unberechenbar sind und Auswirkungen für die ganze Welt haben können. So schaffte er es, binnen kürzester Zeit den zweitgrößten Smartphonekonzern und einen der größten Mobilfunknetzausrüster zu isolieren. Und das ist nicht die erste Firma, die Donald Trump beinahe in den Ruin getrieben hat.
Kurzer Einschub: Man kann ja denken über Trump, was man möchte, aber man kann aus allem etwas Positives ziehen, und wenn dieser Herr es geschafft hat, Präsident der vereinigten Staaten von Amerika zu werden, dann ist das wohl der beste Beweis dafür, dass man mit einem starken Willen ebenfalls nahezu alle Ziele erreichen kann.
Die Welt ist im Wandel. Anstatt der lange Zeit gelobten Globalisierung beginnen immer mehr Länder sich wieder aus Gemeinschaften auszuschließen. Das sehen wir innerhalb der EU, aber auch auf weltweiter Ebene. Das beunruhigt viele Menschen, aber man ist ein Stück weit machtlos und so hilft nicht mehr als der Glaube daran, „dass das schon wird”, trotz alledem.
Zugleich kennen wir alle den Satz unseres amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier: „Wer Menschenleben rettet, kann nicht Verbrecher sein”.
Eine Frau wird verhaftet, weil sie das Leben von 40 Flüchtigen rettete und diese an Land brachte. Anstatt Lob für ihre Rettungstaten zu erhalten, wird gegen sie gehetzt, und beteiligt ist daran auch noch ein Innenminister. Sie alle kennen vermutlich die Geschichte. Es zeigt noch einmal mehr, wie die Welt im Wandel ist und jeder seine eigenen „Mauern” zieht. Das Bekriegen und Verbieten von Waren durch Zölle ist das eine, aber das gezielte Ausschließen anderer Menschen ist das andere. Nun könnte man auch hierbei ein erneutes „das wird schon” erwarten, doch stattdessen behaupte ich „Das kann nicht mehr einfach so werden!”.
Und nun, fiel mir auf, dass ich den Inhalt meiner Rede doch eigentlich schon habe. Ein Einfaches „Das wird schon” reicht nicht mehr, stattdessen müssen Lösungen gesucht werden. Die genannten Beispiele sind nur ein Teil davon. Und diese Lösungen müssen von uns gesucht werden. Wir sind die Generation, die in ihren zukünftigen Positionen an neuen Entwicklungen arbeitet. Sei es bei Problemen zwischen Jung und Alt, beispielsweise der Rente, das umweltbewusstere Denken oder auch das Verändern und ständige Weiterbilden der Mitarbeiter an zukünftigen Arbeitsplätzen, Stichwort Industrie 4.0. Oder auch die Zukunft der Mobilität. Unser Handeln im Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Umweltverschmutzung und die daraus resultierende Flucht vieler Menschen, politische Lösungen für ein gemeinsames Europa und eine gemeinsame Welt. Doch auch die nationale Unzufriedenheit, die sich an den jüngsten Wahlergebnissen widerspiegelt, muss besänftigt werden.
Und das ist nur ein Bruchteil der Aufgaben, die auf uns warten.
Doch fairerweise darf ich nicht nur an euch appellieren, sondern muss auch erwähnen, dass dieses Denken bei einigen schon vorhanden ist und so beispielsweise, und das ist kein Eigenlob und ich selbst war daran nicht beteiligt, unsere schuleigene YouTube-AG ihr Können nutzte und sich zusammen mit der Stadt Rastatt an einer Müllentsorgungskampagne beteiligte, um schließlich der Umweltverschmutzung innerhalb der Stadt entgegenzuwirken.
Denn ich bin der Überzeugung, dass wir mit unserem Abitur das Recht haben, zu studieren und uns in Fachgebiete zu vertiefen – doch ebenfalls die Pflicht, dass wir mit unserem Wissenstand nicht mehr sagen können „Das haben wir nicht gewusst” oder „Das konnten wir nicht wissen”, sondern stattdessen die Probleme vermeiden müssen, unabhängig vom jeweiligen Profilfach oder der zukünftigen Fachrichtung.
Doch nun sehe ich in so manches Gesicht, das förmlich nach Pause ruft, und diese Pause sei Ihnen nun auch gegönnt. Ich wünsche euch Abiturientinnen und Abiturienten alles Gute, viel Erfolg und auch ein wenig Glück in euren weiteren Schritten und seht meine Message nicht als Vorwurf oder Anklage, sondern viel mehr als eine Herausforderung, als eine Aufgabe, die nach Lösungen aus Köpfen wie unseren wartet, damit aus einem „Das wird schon” ein „Wir machen das!” wird.
Lucas Merkel
Foto: Björn Braun